Was fĂźr eine Frau! Eine strahlende Erscheinung voll kĂźhler Eleganz, umweht von einem Hauch franzĂśsischen ParfĂźms und das mitten im grauen Polen der 60er Jahre. Eine gewisse Zeit kann der Ich-Erzähler der Faszination widerstehen, die von Madame La Directrice, der neuen Schuldirektorin und FranzĂśsischlehrerin, ausgeht, während seine Mitabiturienten ihr längst erlegen sind und sich erotischen Fantasien hingeben. Doch dann trifft auch ihn der Ansturm der ersten groĂen Liebe mit voller Wucht. Er versucht, die Aufmerksamkeit der EinunddreiĂigjährigen auf sich zu ziehen. Aber so leicht ist die weltgewandte Frau nicht zu beeindrucken. Zielstrebig macht er sich daran, mehr Ăźber die geheimnisvolle SchĂśnheit herauszufinden, die eine auffallende Affinität zu Frankreich, Inbegriff des dekadenten Westens, erkennen läĂt: zunächst ihre Adresse, dann ihre Vergangenheit. Er stĂśĂt auf verstĂśrende Antworten und lernt neue Fragen zu stellen. Eine menschliche TragĂśdie breitet sich vor seinen Augen aus, die bis in die dreiĂiger Jahre zurĂźckreicht. Durch sein Wissen kommt er der Unnahbaren näher, als sie ahnt. Stets darauf lauernd, ob die Angebetete durch eine Bemerkung oder eine Geste verrät, daĂ sie seine in Aufsätzen und Gesprächen eingestreuten Anspielungen aufgelĂśst hat, erlebt er einen ständigen Wechsel von Illusionen und Desillusionierung. Der ehrgeizige Umgang mit dem Wort und die Erkenntnis harter Realitäten setzen ungeahnte Fähigkeiten in dem jungen Mann frei. In der intensiven Auseinandersetzung mit Literatur, Kunst und Wirklichkeit entdeckt er die Macht und Bedeutung der Imagination. Sie spielt eine wichtige Rolle in seiner Deutung der Welt. Seine Sprache formt sich und mit ihr er selbst. Zwar läĂt den Ich-Erzähler die Macht der Worte, auf die er in seiner Jugend noch ganz vertraut, Konfliktsituationen mit den Handlangern des Staates gewitzt meistern, doch muĂ er plĂśtzlich auch die Gefährlichkeit des Machtapparats im Polen der Gomulka-Ăra erkennen, der mit Worten allein nicht zu begegnen ist. Was als Education sentimentale beginnt, wird zu einer Initiation in mehrere Bereiche: in die Liebe, in das reale Leben und in die eigene Zukunft. Er wird zum Schriftsteller. Antoni Liberas erster Roman lĂśste in Polen zum Teil heftige Reaktionen aus. Gegenstand der Diskussion war nicht nur die auĂerordentliche literarische Qualität des Buches, sondern vor allem die Thematisierung von Widerstand und Anpassung, KleinbĂźrgertum und Weltoffenheit im kommunistischen Polen der Nachkriegszeit. VĂśllig neu war zudem die Thematisierung der Rolle der Stalinisten im Spanischen BĂźrgerkrieg, die jenseits des Eisernen Vorhangs jahrzehntelang verheimlicht wurde. Eingebettet hat der Autor die politischen und kĂźnstlerischen Aspekte seines fein motivierten Romans in eine zarte Liebesgeschichte, die ihren Reiz aus dem Spiel von Nähe und Ferne der Beteiligten bezieht.